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Johannes Praetorius (1537-1616)

Du mißt,rechnest, lehrst mit solchem Fleiß daß man, / Dich in Mathesi wohl den Praetor nennen kan.
Kupferstich W. P. Kilian (o. J.)
Franck. Stift. Halle, Bibliothek, Sign. B 4115
J. Praetorius, Kupferstich
Praetorius war 1571 bis 1576 Professor Mathematum superiorum an der Leucorea zu Wittenberg. 1576 ging er als erster Professor der Mathematik nach Altdorf an die dort neugegründete Universität.
  1. Biographie
  2. Werk und Bedeutung
  3. Schriftenverzeichnis
  4. Literatur

1. Biographie

Johannes Praetorius (Richter) wurde 1537 im böhmischen Joachimsthal geboren. Über sein Elternhaus und seine Kindheit ist nichts bekannt.

Im Sommersemester 1557 schrieb er sich an der Leucorea zu Wittenberg ein. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten Kaspar Peucer (1525-1602) und Sebastian Dietrich (?-1574), die damaligen Ordinarien für Höhere bzw. Niedere Mathematik. 1562 erwarb er den akademischen Grad eines Magisters der freien Künste.

Sonnenquadrant. 1571 von J.Praetorius entworfen und von H. Epischofer ausgeführt.
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg.
Meßtisch
Von 1562 bis 1569 lebte Praetorius in Nürnberg, wo er Globen, Sonnenuhren, Astrolabien und andere astronomische und mathematische Geräte entwarf, die von dem hervorragenden Nürnberger Goldschmied und Instrumentenbauer Hans Epischofer (gest. 1585) hergestellt worden. Von diesen sind etliche erhalten geblieben und größtenteils im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg aufbewahrt.

Nach eigenem Zeugnis lernte Praetorius 1569 in Krakau den einflußreichen Bischof und kaiserlichen Rat Andreas Dudith (1533-1589) kennen, mit dem er in den folgenden Jahren mehrere Reisen unternahm und auf dessen Vermittlung hin er Kaiser Maximilian II. einige Jahre in Mathematik unterrichtete. In Krakau traf er auch Georg Joachim Rheticus (1514-1574), damals schon Professor in Leipzig. Dieser gewährte ihm nicht nur Einblick in seine eigenen Arbeiten, sondern auch in noch ungedruckte Werke des Johannes Regiomontanus (1436-1476) und Johannes Werner (1468-1528).

1571 erhielt Praetorius einen Ruf nach Wittenberg als Professor für Höhere Mathematik und hatte als solcher insbesondere Astronomie zu lehren. Gemeinsam mit Wolfgang Schuler (?-1575), der ebenfalls seit 1571 für das gleiche Fach berufen war, beobachtete er den von 1572 bis 1574 im Sternbild der Cassiopeia sichtbaren Kometen. Die Ergebnisse seiner Beobachtungen publizierte er 1578 und fanden Eingang in den Arbeiten von Tycho Brahe (1546-1601).

Praetorius weilte nur fünf Jahre in Wittenberg; 1576 wurde er Professor an der neugegründeten Akademie in Altdorf. Etwa 40 Jahre hatte er dort die Stelle eines mathematicus inne und lehrte Mathematik und Astronomie. Viermal wurde er in dieser Zeit als Rektor gewählt. Erneut beschäftigte er sich mit dem Bau von mathematischen und astronomischen Instrumenten. Besonders widmete er sich den Sonnenuhren.

Praetorius verstarb am 27. Oktober 1616 in Altdorf.


2. Werk und Bedeutung

Neben einigen Kalendern sind nur die unten stehenden beiden Arbeiten von Praetorius gedruckt worden. Es sind aber zahlreiche Manuskripte über Astronomie, Geodäsie und Mathematik erhalten geblieben, deren umfassende Auswertung allerdings noch aussteht.

Als Astronom war Praetorius mit den zeitgenössischen Theorien von Copernicus, Tycho Brahe und anderen bestens vertraut. In seinen Altdorfer Vorlesungen über Planetentheorie stellt er das geozentrische System von Ptolemaeus oft dem heliozentrischen System von Copernicus gegenüber, ohne eindeutig für eines der beiden Systeme Partei zu ergreifen. Vielmehr, und damit folgte er Rheticus und Reinhold , war er der Meinung, daß das heliozentrische System gegenüber dem geozentrischen theoretische und praktische Vorteile aufwies und daß man das heliozentrische System studieren solle, um das geozentrische weiter zu verbessern.

Praetorius' Meßtisch. Abb. aus M. Daniel Schwenters Geometriae practicae ..., Tractatus III. Nürnberg 1623-1627.
Meßtisch
Im Zusammenhang mit Praetorius' Schrift über den Kometen von 1572 bezeichnet Brahe ihn als clarissimus mathematicus, excellens mathematicus, eruditissimus, doctissimus mathematicus und als clarissimus et eruditissimus mathematicus.

Praetorius war ein sehr gewandter und in seiner Zeit hochgeschätzter Geometer. Der von ihm etwa 1590 erfundene, viele Jahrhunderte weit verbreitete und (wohl auch noch heute) viel benutzte Meßtisch, früher häufig mensula praetoriana oder tabula praetoriania genannt, wird in vielen Büchern behandelt. Bekannt geworden ist dieses Gerät insbesondere durch seinen bedeutendsten Schüler Daniel Schwenter (1585-1636), der es in einem Traktat ausführlich beschrieben hat.

Snellius schreibt über seine den Sehnenvierecken gewidmeten Schrift: Clarissimus J. Praetorius harum artium scientia nulli secundus, de quatuor lineis in circulo integrum librum publicavit, in quo multis modis ingeniose sane et acute hoc idem problema effici posse demonstravit. Und bei Chasles liest man darüber: Dieses Werk ist in mehreren Hinsichten von Werth: zuerst wegen einiger Andeutungen, die es über die Geschichte des Problems enthält, und sodann, weil es uns, indem es dieselbe Aufgabe wie Brahmegupta löst, die sich auf die Bedingungen der Rationalität einzelner Theile der Figur bezieht, einen Vergleichungspunkt zwischen den Indern und uns darbietet, bei einer Aufgabe, die eigenthümlich und original bei dem indischen Autor wie bei dem europäischen ist.


3. Schriftenverzeichnis

  1. De cometis, qui antea visi sunt, et de eo qui novissime mense Novembri apparuit, narratio. Nürnberg 1578.
  2. Problema, quod iubet ex quatuor rectis lineis datis quadrilaterum fieri, quod sit in circulo. Aliquot modis explicatum a Johan. Praetorio Iaochimico. Nürnberg 1598.

4. Literatur

  1. M. Folkerts. Johannes Praetorius (1537-1616) - ein bedeutender Mathematiker und Astronom des 16. Jahrhunderts. In: J. W. Dauben et al. (Ed.). History of Mathematics: States of the Art. Flores quadrivii - Studies in Honor of Christoph J. Scriba. S. 149-169. Academic Press San Diego 1996.
  2. W. Friedensburg. Geschichte der Universität Wittenberg. Max Niemeyer Verl. Halle a. S. 1917.
  3. [S.] Günther. Johannes Praetorius. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 26, S. 519-520. Neudruck der 1. Aufl. von 1875-1912. Duncker & Humblot Berlin 1967-1971.


[ Inhaltsverzeichnis ] Autor: M. Goebel

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