Von 1826 bis 1833 war Prof. Dr. phil. habil. H. F. Scherk an der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg tätig. Zweifelsfrei gehört er zu den großen Mathematikern, die in Halle gewirkt haben. Insbesondere seine Arbeiten über Minimalflächen und über die Verteilung der Primzahlen werden noch heute zitiert.
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1798 | Am 27. Oktober wird Heinrich Ferdinand SCHERK in Posen (Poznan) als Sohn eines Werkmeisters (Kaufmanns ?) geboren. | ||||
180? | Im Alter von 11 Jahren kommt SCHERK nach Breslau (Wroclaw), wo er zunächst eine Elementarschule und später das Magdalenen-Gymnasium besucht. Von seinem Lehrer REICH empfängt er hier erste Anregungen, sich mit Mathematik und Astronomie zu beschäftigen. | ||||
1818-1820 | Im Herbst 1818 schließt SCHERK seine Gymnasialausbildung ab und beginnt an der Universität Breslau mit dem Studium. Zunächst belegt er Kurse in Philologie, Philosophie und Geschichte bei von STEFFENS, von RAUMER, WACHLER und PASSOW. Schon bald aber wendet er sich der Mathematik und Astronomie zu, worin er insbesondere durch den allgemein anerkannten H. W. BRANDES (1777-1834) unterwiesen wird. Obwohl er von seinem Onkel POSER aus Breslau und einem Kaufmann WARSCHAUER aus Königsberg (Kaliningrad) allseitig unterstützt wird, muß er viel Privatunterricht geben, um das Studium finanziell abzusichern. Die Situation ändert sich erst, nachdem er im 3. Semester auf Empfehlung von BRANDES für zwei Jahre ein Universitätstipendium erhält. | ||||
1820-1822 | Seinem Wunsch und dem Rat von BRANDES entsprechend geht SCHERK nach Königsberg, um seine Studien bei F. W. BESSEL (1784-1846) fortzusetzen. Hier entstehen unter der Betreuung von BESSEL seine ersten Arbeiten über Astronomie, die 1824 in Bode's berliner astronomisches Jahrbuch (?) bzw. Schumacher's astronomische Nachrichten (?) erscheinen. BESSEL gelingt es, eine einjährige Verlängerung des Stipendiums für SCHERK durchzusetzen. Er wurde der große Gönner und Förderer von SCHERK, der ihn Zeit seines Lebens hoch verehrt hat. | ||||
1822 | Im April geht SCHERK, versehen mit einem Empfehlungsschreiben von BESSEL, für ein Jahr nach Göttingen zu C. F. GAUSS (1777-1855). Dieser nimmt ihn freundlich auf, zu intensiven Kontakten kommt es aber nicht. | ||||
1823 | SCHERK promoviert am 27. August in Berlin zum Dr. phil. Seine Dissertationsschrift widmet er seinem verehrten Lehrer BRANDES. Im November geht er zurück nach Königsberg. | ||||
1823 | Heirat in Königsberg (?) mit Johanne Rosalie KARO. Sie haben mindestens vier Töchter und vier Söhne. Sein ältester Sohn P. SCHERK ist später Kapitän eines unter seiner Aufsicht erbauten Schiffes. | ||||
1824 | In Königsberg erfolgt die Habilitation zum Privatdozenten. | ||||
1825 | Im April beendet Scherk die Arbeit an seinen Mathematischen Abhandlungen, die bei G. Riemer in Berlin erscheinen. | ||||
1826-1833 | Insbesondere auf Empfehlung von BESSEL wird SCHERK am 4. März 1826 als außerordentlicher Professor nach Halle berufen, wo er bis zu seiner Berufung nach Kiel wirkt. Fast die gesamte Zeit ist er Mitglied und zuletzt Direktor der Königlichen wissenschaftlichen Prüfungskommission für die Provinz Sachsen. Wiederholt setzt sich die Philosophische Fakultät für seine Berufung zum ordentlichen Professor ein. In dieser Zeit entstehen seine noch heute zitierten Beiträge zur Analysis und Zahlentheorie. Für seinen Freund C. G. J. Jacobi (1804-1851) liest er Korrekturen dessen in Halle 1829 gedruckten Werkes Fundamenta nova theoriae functionum ellipticarum, Regiomonti 1829. Als Wohnanschrift werden in Halle zunächst Große Ulrichstr. 30, ab Michaelis 1826 Großer Berlin 431, dann ab Michaelis 1829 Großer Berlin 426 und schließlich beginnend mit Michaelis 1830 Markt 806 genannt. | ||||
1831 | E. E. KUMMER (1810-1894) löst als Student in Halle im 3. Studienjahr eine von SCHERK gestellte mathematische Preisfrage und wird daraufhin am 10. September zum Doktor promoviert. (Später, als Professor in Berlin, sollte KUMMER erster Gutachter der Dissertation von G. CANTOR (1845-1918) werden.) | ||||
1831 | Das Essay De proprietatibus superfici ..., als Antwort von SCHERK auf die Preisfrage der Fürstlichen Jablonowski'schen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig für das Jahr 1831 geschrieben, erhält einen Preis und wird 1832 in Leipzig gedruckt. | ||||
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1831 | Am 5. Juli erfolgt SCHERKs Berufung zum ordentlichen Professor für die reine Mathematik an die Universität in Halle, womit der seit dem Tod von J. F. PFAFF (1765-1825) vakante Lehrstuhl endlich wieder besetzt ist. Teilweise recht umfangreiche Artikel entstehen für die große Ersch-Gruber'sche Encyclopädie. | ||||
1833 | Auf eigenen Wunsch wird SCHERK zu Michaelis 1833 aus dem preußischen Staatsdienst entlassen. Am 13. September 1833 wird er als Nachfolger von N. T. REIMER (1772-1832) zum ordentlichen Professor für Mathematik und Astronomie an die Universität Kiel berufen, wobei man ihm den außerdem vorgeschlagenen Mathematikern J. A. GRUNERT (1797-1872) und P. G. L. DIRICHLET (1805-1859) den Vorzug gibt. | ||||
1833-1852 | Wie schon in Halle, setzt sich SCHERK auch in Kiel mit seiner ganzen Persönlichkeit für die Belange der Universität ein. So ist er ab 1835 Verwalter des Universitätsvermögens und der akademischen Institute. In den Jahren 1841, 1842 und 1848 wird SCHERK zum Rector magnificus gewählt. Wiederholt repräsentiert er die Universität Kiel bei bedeutenden Anlässen: 1836 zur Reformationsfeier in Kopenhagen, 1840 bei der Krönung des Königs Christian VIII. und 1844 bei der Jubiläumsfeier der Universität Königsberg. | ||||
1838 | Berechnung von Zinstabellen für die Kieler Spar- und Leihkasse. | ||||
1840 | SCHERK wird als Ritter vom Danebrogorden geehrt. Der Danebrogorden ist der zweithöchste Orden Dänemarks, der seit 1671 verliehen wird. | ||||
1846 | SCHERK wird zum Königlichen Etatsrath ernannt. | ||||
1846 | Anläßlich der Jahresversammlung des Vereins deutscher Naturforscher und Ärzte in Kiel hält er eine mit "großem Beifall" aufgenommene Gedächtnisrede auf BESSEL, der im gleichen Jahr verstorben war. Die Rede und einige Beiträge in verschiedenen Sektionen werden 1847 im amtlichen Bericht der Versammlung gedruckt. Als Herausgeber fungiert neben SCHERK der Mediziner G. A. MICHAELIS (1798-1848). | ||||
1848 | SCHERK beteiligt sich als deutscher Patriot an der Erhebung der Herzogtümer Schleswig-Holstein. Insbesondere setzt er sich für die Schaffung einer deutschen Seekriegsflotte ein und ist einer der drei Organisatoren der 1. deutschen Seekadettenschule in Kiel, deren Direktionsmitglied er ist und an der er die Mathematikausbildung leitet. | ||||
1852 | Nach der Wiedereingliederung von Schleswig-Holstein in den dänischen Staat wird am 4. Juni SCHERK gemeinsam mit 7 weiteren Kollegen aus politischen Gründen "ohne Angabe eines erheblichen Grundes, ohne Urteil und Recht, ja ohne vorhergehende Untersuchung" aller seiner Ämter enthoben und aus dem Universitätsdienst entlassen. Die Philosophische Fakultät der Universität Halle bemüht sich erfolglos um SCHERKs erneute Berufung. Ebenso erfolglos bleiben Bemühungen, insbesondere durch DIRICHLET, um eine Wiedereinstellung in Kiel. Im Herbst geht SCHERK nach Dresden, wo er zeitweise am BLOCHMANNschen Institut, einem Vorläufer der dortigen Technischen Universiät, Privatunterricht erteilt. | ||||
1854-1857 | Am 12. Dezember 1854 wird SCHERK Direktor einer neugegründeten höheren Gewerbeschule in Bremen. Wegen ausbleibender Schüler muß die Schule 1857 wieder geschlossen werden. | ||||
1858-1874 | SCHERK ist gezwungen, 1858 eine provisorische Lehrerstelle an der Handelsschule (Teil der Hauptschule) in Bremen anzunehmen, die, endlich, am 22. Mai 1863 in eine ordentliche Lehrerstelle umgewandelt werden kann. In diesem Amt verbleibt er bis zu seiner Pensionierung zu Beginn des Jahres 1874. | ||||
1873 | Der 1864 gegründete Naturwissenschaftliche Verein in Bremen, dessen Mitglied SCHERK von Anfang an ist, ernennt ihn am 24. Februar zum Ehrenmitglied. Am Vorabend seines 50jährigen Doktorjubiläums, am 26. August, gestaltet der Verein eine würdige Feier. | ||||
1885 | Nach einem ruhigen Lebensabend verstirbt SCHERK im Alter von 87 Jahren am 4. Oktober in Bremen. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Rhiensberger Friedhof. |
Halle: Beginnend mit dem Wintersemester 1826/27 und letztmalig für das Wintersemester 1833/34 bietet SCHERK meist mindesten zwei verschiedene Vorlesungen an; wobei er die für das zuletzt genannte Semester angekündigten Vorlesungen sicher nicht mehr gehalten hat, da er zu dieser Zeit schon in Kiel war. Zu den wiederholt angebotenen Vorlesungen gehören:
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Kiel: Auch in Kiel hat SCHERK eine umfangreiche Vorlesungstätigkeit entfaltet. Hier hält er u.a. folgende Vorlesungen:
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Bremen:
In Bremen hat Scherk insbesondere im Naturwissenschaftlichen Verein viele populärwissenschaftliche Vorträge gehalten. Einige seien hier aufgeführt:
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1831 | Kummer, Ernst Eduard | De cosinuum et sinuum potestatibus secundum cosinus et sinus arcuum multiplicium evolvendis |
1852 | Weyer, Georg Daniel Eduard | Über die Differentialformeln für Cometenbahnen von großer Exentricität |
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Archivalien
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Originalarbeiten | |
1999 | Vermunicht, Katrien: Scherk and his minimal surfaces (Dutch). Kath. Univ. Leuven, Fac. of Sciences, Dep. Math., Master Thesis 1998-1999. |
1997 | Fuchs, Ute: Periodische Minimalflächen über regulären Riemannschen Flächen. Diss. Freie Universität Berlin. (Erschienen beim Lotos Verlag Berlin). |
1997 | Karcher, Hermann: Minimalflächen. In: Begehr, Heinrich G. W. (ed.): Mathematik aus Berlin. Weidler Buchverlag Berlin, S.199-216. |
1997 | Nitsche, Johannes C. C.: Mathematik in Berlin - Born konkreter Geometrie über die Jahrhunderte. In: Begehr, Heinrich G. W. (ed.): Mathematik aus Berlin. Weidler Buchverlag Berlin, S.107-164. |
1996 | Ritore, Manuel: Stable periodic projective planes. Proc. Amer. Math. Soc. 124, no. 12, 3851-3856. |
1996 | Traizet, Martin: Construction de surfaces en recollant des surfaces de Scherk. C. R. Acad. Sci., Paris, Ser. I, 322, No. 5, 451-453. |
1996 | Traizet, Martin: Construction de surfaces en recollant des surfaces de Scherk. Ann. Inst. Fourier 46, No. 5, 1385-1442. |
1994 | Ross, Marty: Stable quotients of periodic minimal surfaces. Comm. Anal. Geom., No. 3, 451-459. |
1994 | Shapiro, Jacob; Waxman, Jerry: A constructive proof of Scherk's theorem on the representation of primes. (?) Int. J. Comput. Math. 50, No. 3-4, 125-130, 136-147. |
1994 | Verstraelen, L.; Walrave, J.;Yaprak, S.: The minimal translation surfaces in Euclidean space. Soochow J. Math., 20, no. 1, 77-82. |
1993 | Borisovich, A. Yu.: Functional-topological properties of the Plateau operator and applications to the study of bifurcations in problems of geometry and hydrodynamics. Minimal surfaces, Adv. Soviet Math., Amer. Math. Soc., 15, 287-330. |
1991 | Dillen, Franki; Verstraelen, Leopold; Zafindratafa, Georges: A generalization of the translation surfaces of Scherk. In: Dillen, F. (ed) et al.: Differential geometry, in honor of Radu Rosca. Papers of the meeting on pure and applied differential geometry held in Leuven, Belgium, on December 9, 1989. Leuven: Katholieke Universiteit Leuven, Departement Wiskunde, 107-109. |
1990 | Hoffman, David; Meeks, William H. III: Limits of minimal surfaces and Scherk's fifth surface. Arch. Ration. Mech. Anal. 111, No. 2, 181-195. |
1990 | Karcher, H.; Polthier, K.: Die Geometrie von Minimalflächen. Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1990, S. 96-107. |
1988 | Karcher, H.: Embedded minimal surfaces derived from Scherk's examples. Manuscr. Math. 62, No. 1, 83-114. |
1987 | Panitopol, Laurentiu: On Scherk's theorem. Bull. Math. Soc. Sci. Math. Repub. Soc. Roum., Nouv. Ser. 31(79), 250-253. |
1986 | Borisovich, A. Yu.: The reduction of the problem of bifurcation of minimal surfaces to operator equations and the determination of bifurcations of a catenoid, a helicoid, and Scherk and Enneper surfaces. Russ. Math. Surv. 41, No. 5, 131-132. |
1977 | Strubecker, Karl: Über die isotropen Gegenstücke der Minimalfläche von Scherk. J. Reine Angew. Math., 30, 119-123. |
1974 | Hsu, Chen-Jung: Determination of Scherk's minimal surfaces in higher dimensional euclidean spaces. Chin. J. Math. 2, 136-147. |
1967 | Brown, J. L. jun.: Proof of Scherk's conjecture on the representation of primes. Am. Math. Mon. 74, 31-33. |
1955 | Teuffel, E.: Beweise für zwei Sätze über Primzahlen. Jahresber. Dtsch. Math.-Ver. 58, 43-44. |
1953 | Ara, Rahmat; Pinl, M.: The ideal straight lines on Scherk's minimal surface. Pakistan J. Sci. Research. 5, 145-149. |
Monographien, Lehrbücher u.a. | |
1998 | Gray, Alfred: Modern Differential Geometry of Curves and Surfaces with Mathematica®. CRC Press Boca Raton Boston ... |
1993 | Carmo, Manfredo P.: Differentialgeometrie von Kurven und Flächen. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig / Wiesbaden. |
1986 | Barbosa, J. Lucas M.; Colares, A. Gervasio: Minimal Surfaces in R3. Lect. Notes Math., vol. 1195, Springer Verlag Berlin Heidelberg. |
1975 | Nitsche, Johannes C. C.: Vorlesungen über Minimalflächen. Springer Verlag Berlin Heidelberg New York. |
In Berkeley hat Brent COLLIN wunderschöne Holzskulpturen geschaffen, von denen einige ihre Herkunft von gewissen SCHERKschen Flächen nicht leugnen können. Wer Freude beim Betrachten derartiger Kunstwerke empfindet, sollte unbedingt Prof. Carlo H. Séquin besuchen und dabei natürlich die Seite scherk.html nicht auslassen. Dieser Seite haben wir auch die folgenden Abbildungen entnommen. | ||||||
These sculptures can be understood as a toroidal warp of Scherk's 2nd minimal surface, possibly with an overall twist:
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An 8-storey Scherk tower warped into a toroid with 180 degrees of twist: |
[ Inhaltsverzeichnis ] | Autoren: M. Goebel & H. Schlosser |
optstoch@ | 27. Okt. 1998 ,© goma |