In der Literatur gibt es etliche Beschreibungen des Holzschnittes. Wir beginnen mit einem Zitat aus dem Ausstellungskatalog [3, S. 99]:
Für die Stube des Gelehrten war dieser Kalender bestimmt, den Cranach nach Angaben eines gelehrten Magisters im Holzschnitt verbreitete. Der Kalender gestattete
als praktisch nutzbare Angabe die Ablesung der Tageslänge für jeden Tag des Jahres. Daneben gab er den scheinbaren Lauf der Sonne und des Mondes durch die zwölf
Tierkreiszeichen. Die bildlichen Darstellungen geben die sieben Wandelsterne, zu denen auch die Sonne und der Mond gerechnet wurden, in Verbindung mit den menschlichen Berufen,
Beschäftigungen, Lastern oder Leiden. Man glaubte damals, diese würden von demjenigen Stern beeinflußt, der die Geburtsstunde eines Menschen "beherrscht" hätte.
Solche Darstellungen gaben immer Gelegenheit zu frischen Schilderungen aus dem täglichen Leben, so hier der Müller mit den Eseln, die Schulstube, der Mord im Walde,
der Fuhrmann unterwegs.
Wir zitieren weiter aus Schuchardt [2, S. 287]:
Oben in der Mitte befindet sich der Thierkreis, daneben zwei Kinder mit Fahnen, worauf die sächsischen Wappen sind; an den Seiten
sind zwei Streifen mit den Monaten und dem in der Ueberschrift erwähnten Text der planetarischen Bestimmungen, die durch die
herabgehenden Linien und durch die Capitäle darüber das Ansehen korintischer Säulen haben. Innerhalb des Thierkreises und dieser
Säulen, wie auf einem Vorhang, in dessen Mitte die Sonne ist, befinden sich, in der Folge von links nach rechts, in sieben Columnen
zu oberst eine Darstellung der sieben Planeten: Luna, Mercur, Venus, Sol, Mars, Jupiter und Saturn, und unter diesen, in jeder Columne,
Darstellungen von Beschäftigungen, die unter dem Einfluß derselben stehen, oder am besten verrichtet werden, wenn grade der Planet
herrscht.Unter Luna: Mühltreiber, Ochsenschlachten, Baden und Fischen; unter Venus: Musik und Liebesscenen; unter Saturn: Wäsche, Kerker,
Reisende u.s.w.
An beiden Seiten des Vorhanges, in schmalen Streifen, ist die Figur eines Ritters.
Dieses Blatt ist in der Weise wie das Turnier vom Jahre 1506, fast nur im Umriß geschnitten; die kleinen Bilder sind geistreich
und lebendig gezeichnet, wie man ähnliche auf den Pferdedecken der großen Turniere vom Jahr 1509 sieht.
Und nun aus Jahn [1, S. 47]:
Themen aus Cranachs Gegenwart sind in seiner Graphik im Verhältnis zu ihrem Gesamtbestand selten, und daß er den ersten Turnierholzschnitt
von 1506 am Rande dazu benutzte, Volkstypen seiner Zeit vorzuführen, ist eine Ausnahme. Eine weitere Gelgenheit bot ein wohl um 1515
anzusetzendes Blatt, der vom Magister Bonifacius von Czorbegk entworfene Kalender, der die Ablesung der Tageslänge für jeden Tag
des Jahres ermöglicht und den scheinbaren Lauf von Sonne und Mond durch die 12 Tierkreiszeichen angibt. Er ist ausgestattet mit
Darstellungen der sieben Planeten und der Beschäftigungen, Freuden und Leiden der unter ihrem Einfluß geborenen Menschen. Damit
knüpfte Cranach an die graphische Überlieferung des 15. Jahrhunderts an, unter dessen Blockbüchern (Büchern, in denen Bild und
Text aus einer Holzplatte geschnitten sind) sich auch ein "Planetenbuch" in mehreren Ausgaben befindet. Am ausgiebigsten hat der
Hausbuchmeister in den Zeichnungen seines den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts angehörenden "Hausbuches" die Wirkungen der Planeten
auf die Menschen behandelt und die ihm hier durch das Thema gegebene Möglichkeit ausgenutzt, seinem in seiner Zeit einzigartigen
Hang zur Gestaltung von Szenen aus dem täglichen Leben nachzugehen. Die hier wiedergegebenen Ausschnitte aus Cranachs Kalenderblatt
lassen ebenfalls eine Menge solcher Szenen erkennen, doch sind sie keineswegs alle von Cranach erfunden. Der Mann im Block, der
Gehängte, der Mord, die Belustigung mit Spiel und Tanz, Maler und Bildhauer, die Züchtigung mit der Rute, der Bauer mit den Eseln
sind, wenn auch in anderer zeichnerischer Formulierung, bereits im "Hausbuch" enthalten. Andere Szenen sind wiederum Cranachs persönliches
Eigentum und lassen uns bedauern, daß diese Seite seiner Kunst in seinem Gesamtwerk nicht stärker vertreten ist.
optstoch@ | Mai 2016, © goma |