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Wenceslaus Johann Gustav Karsten (1732-1787)

W. J. G. Karsten

W.J.G. KARSTEN wirkte von 1778 bis 1787 als ordentlicher Professor für Mathematik und Naturlehre an der Universität Halle. Er war Mecklenburgischer und Preußischer Hofrat, Mitglied der Kurfürstlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie der Gesellschaften der Wissenschaften zu Kopenhagen und Haarlem und zweimal Rektor der Universität Bützow.

  1. Leben und Werk
  2. Schriftenverzeichnis
  3. Literatur

1. Leben und Werk

WENCESLAUS JOHANN GUSTAV KARSTEN wurde am 15.12.1732 in Neubrandenburg geboren. Sein Vater war Apotheker, die Mutter die Tochter eines Apothekers aus Güstrow. Nachdem KARSTENs Eltern 1737 durch eine Feuerbrunst ihr Haus und alle Habe verloren hatten, verbrachte WENCESLAUS JOHANN GUSTAV die weiteren Jahre seiner Kindheit in Güstrow, wo er zunächst einen dürftigen Unterricht, später aber Privatunterricht in Mathematik erhielt. Er studierte von 1750 bis 1752 in Rostock und 1752 bis 1754 in Jena vorzugsweise Theologie und Philosophie, privat beschäftigte er sich jedoch auch eifrig mit Mathematik.

Anschließend bereitete er sich in Güstrow auf den Beruf eines Predigers vor. An der Universität Rostock zeichnete sich aber die freiwerdende Stelle eines Mathematikers ab, da der Vertreter der Mathematik Professor PETRUS BECKER 1753 im Alter von 82 Jahren gestorben war und der Privatdozent Magister FRANZ ULRICH THEODOR AEPINUS, der die Vorlesungen schon längere Zeit für ihn gehalten hatte, 1754 an die Akademie der Wissenschaften nach Berlin berufen wurde (im Mai 1757 übersiedelte er an die Akademie in St. Petersburg), ging KARSTEN nach Rostock, promovierte am 26.2.1755 zum Magister und begann ab Ostern 1755 als Privatdozent für philosophische Disziplinen Vorlesungen zu halten.

F.U.T. AEPINUS gab KARSTEN Anleitung zur weiteren Beschäftigung mit der Mathematik und stellte den Kontakt zu L. EULER her. Am 18.3.1758 erhielt er die Berufung auf eine Professur der Logik an der Universität Rostock. Zu dieser Zeit war er mit seinem Werk über den Lehrbegriff der Mathematik schon ziemlich weit gekommen, er wagte aber nicht, mehr als die Anfangsgründe in den Druck zu geben, die Ostern 1760 bei ANTON FERDINAND ROESE, Rostock und Greifswald, erschienen. KARSTEN besorgte 1765 die Herausgabe von L. EULERS Theoria motus corporum rigidorum bei A.F. ROESE (später tritt als Verlagsort von ROESE nur Greifswald auf).

Streitigkeiten zwischen der Stadt Rostock und dem Herzog Friedrich von Mecklenburg-Schwerin führten zur Spaltung der Universität. Im Jahr 1760 stiftete der Herzog die Friedrichs-Universität zu Bützow, und KARSTEN erhielt am 14.5.1760 die Berufung als Professor der Mathematik an diese. Mit ihm zogen weitere sechs dem Herzog genehme und ergebene Professoren sowie etwa 100 Studenten nach Bützow, die anderen hielten zum Rat der Stadt und blieben in Rostock. KARSTEN war im Sommersemester 1765 und im Wintersemester 1768/69 Rektor in Bützow. Keine der beiden Universitäten konnte sich in dem armen und rückständigen Lande Mecklenburg (anfangs unter den Bedingungen des Siebenjährigen Krieges) entwickeln, so daß die beiden Teile 1789 wieder vereint wurden.

Der an schlechten materiellen Bedingungen, an mangelnder Disziplin und an zu geringen Studentenzahlen krankende Universitätsbetrieb in Bützow befriedigte ihn nicht. Trotzdem schlug er 1765 eine Berufung an die Akademie in St. Petersburg aus, ging aber 1778 als Nachfolger von JOHANN ANDREAS SEGNER an die Universität Halle, wo er als Professor für Mathematik und Naturlehre bis zu seinem Tode am 17.4.1787 wirkte. Hier widmete er sich der Mathematik und ihren Anwendungen.

Von seinen Arbeiten ist das 8-bändige Werk "Lehrbegriffe der gesamten Mathematik" hervorzuheben, das Moritz Cantor in seiner Geschichte der Mathematik ausführlich gewürdigt hat.

W.J.G. KARSTEN ist das älteste Glied der Mecklenburger Gelehrtenfamilie KARSTEN: KARSTENs Sohn DIETRICH LUDWIG GUSTAV war Mineraloge (Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin), sein jüngerer Bruder FRANZ CHRISTIAN LORENZ Professor der Ökonomie und Kameralwissenschaften in Rostock. Dessen Sohn CARL JOHANN BERNHARD machte sich als Metallurge und Leiter des preußischen Hüttenwesens einen Namen, der Enkel HERMANN war Professor für Mathematik, Physik, Mineralogie und Astronomie an der Universität Rostock und Direktor der Rostocker Navigationsschule, der Enkel GUSTAV war Professor für Physik und Mineralogie an der Universität Kiel.

 


2. Schriftenverzeichnis

  1. Diss. math. inquirens in notionem algebrae ejusque differentia ab arithmetica. Rostock 1755.
  2. De affectionibus, quae omnis generis functionum, praecipue si tres vel adeo quatour involvant variabiles, differentialibus competunt, si eorum integrale sit possibile. Rostock 1756.
  3. Elementa matheseos universalis. Rostock 1756.
  4. Beweis, daß der Algorithmus speciosus keine widersinnigen Rechnungsregeln enthalte. Rostock 1757.
  5. Praelectiones matheseos theoreticae elementaris. Rostock 1758.
  6. Beyträge zur Aufnahme der theoretischen Mathematik. 4 St. Greifswald 1758, 1759 u. 1761.
  7. Beweis für die Wahrheit der christlichen Religion. Rostock 1759.
  8. Diss. Regulae pro differentiandis functionibus duarum variabilium universalius et evidentius demonstratae. Rostock 1759.
  9. Mathesis theoretica elementaris et sublimior etc. Rostock 1760.
  10. Lehrbegriff der gesamten Mathematik. 8 Bde. Greifswald 1767-1777, 2. Aufl. 1778-1791.
  11. Onderzoek over de schynbare Beweging. Verhandl. Maatsch. Haarlem 10 (1768).
  12. Von den Logarithmen vermeinter Größen. Abh. Münchener Acad. 5 (1768)
  13. Abhandlung über die vorteilhafteste Anordnung der Feuerspritzen ... Greifswald 1773.
  14. Theorie der schuins liggende rosenkrans molens of schepwerken. Verhandl. Maatsch. Haarlem 14 (1773).
  15. Theorie von den Projektionen der Kugel usw. Abh. Münchener Acad. 8 (1773).
  16. Von der archimedischen Wasserschraube. Abh. Münchener Acad. 8 (1773).
  17. Über die Theorie der Saugwerke. Abh. Münchener Acad. 8 (1773).
  18. Versuch eines evidenten Beweises der allgemeinen mechanischen Grundsätze. Abh. Münchener Acad. 8 (1773).
  19. Untersuchung über die ersten Gründe der Photometrie. Abh. Münchener Acad. 9 (1775).
  20. Versuch einer völlig berichtigten Theorie der Parallellinien. Greifswald 1779 (oder Halle 1778 ?).
  21. Anfangsgründe der mathematischen Wissenschaften, 3 Bde. Greifswald 1780.
  22. Anfangsgründe der Naturlehre. Halle 1780, 2. Aufl. hrsg. von Frdr. Albr. Carl Gren, Halle 1790.
  23. Auszug aus den Anfangsgründen und Lehrbegriff der Mathematik. Greifswald 1781, 2. Aufl. 2 Bde. Greifswald 1785.
  24. Anleitung zur gemeinnützigen Kenntnis der Natur ... Halle 1783.
  25. Theorie von Witwenkassen. Halle 1783.
  26. Kurzer Entwurf der Naturwissenschaften, vornehmlich ihres chemisch-mineralogischen Teils. Halle 1785.
  27. Physisch-chemische Abhandlungen, durch neuere Schriften von hermet. Arbeiten usw. veranlaßt. 2 Hfte. Halle 1786 (das 2. von seinem Sohn Dietrich Ludwig Gustav vollendet).
  28. Mathematische Abhandlungen. Halle 1786.


3. Literatur

  1. W. Engel. Wenzeslaus Johann Gustav Karsten und Leonhard Euler. Abh. Akad. Wiss. DDR, Abt. Math. Naturwiss. Techn. N1, 135-138, 1985
  2. Günther. Wenceslaus Johann Gustav Karsten. In: Allgemeine Deutsche Bibliographie, Bd. 15, S. 430 - 431. Neudruck der 1. Auflage von 1882. Dunker & Humblot Berlin 1969.


[ Inhaltsverzeichnis| Abriss ] Autor: W. Engel, Rostock

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