Prof. Dr. phil. habil. Gustav Roch war vom Winterhalbjahr 1863/64 bis zum Sommerhalbjahr 1866 als Privatdozent an der Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg tätig. Nicht einmal 27-jährig verstarb er kurz nach seiner Berufung zum außerordentlichen Professor im Herbst 1866 in Venedig. Ein Bild von Roch ist uns leider nicht überliefert. Sein Name lebt in den Sätzen von Riemann-Roch und Riemann-Roch-Hirzebruch fort. |
1839 | Am 9. Dezember wird GUSTAV ROCH in Dresden geboren. Sein Vater GUSTAV ADOLF ROCH ist Königlicher Küchengehilfe; seine Mutter AUGUSTE CAROLINE ROCH ist eine geborene BÜTTNER. |
Seine Schulbildung erhält er zunächst an einer staatlichen Schule in Dresden, später an der Schule in Neustadt. | |
Auf Wunsch seines Vaters besucht er zwei Jahre das dortige Polytechnische Institut, um sich der praktischen Chemie zu widmen. Jedoch, dem Ratschlag seiner Lehrer LAERCHE und O. SCHLÖMILCH (1823-1901) folgend, wendet er sich bald der Mathematik und der praktischen Physik zu. Um den in diesen Fächern hier gebotenen Stoff zu ergänzen, lernt er an einer weiteren privaten Anstalt. | |
Noch als Schüler in Dresden schreibt er seine ersten Arbeiten, die sich mit der mathematischen Theorie der Elektrizität und des Magnetismus beschäftigen und 1859 in Schlömilch's Zeitschrift erscheinen. | |
1859 | Ostern wird er an der Universität Leipzig immatrikuliert. Er hört Philosophie und Mathematik bei M. W. DROBISCH (1802-1896), Mathematik bei A. F. MÖBIUS (1790-1868) und W. SCHEIBNER (1826-1908) sowie Physik bei H. HANKEL (1839-1873). Außerdem besucht er Vorlesungen in Botanik bei METTTENIUS, Philologie bei NOBBE und Geschichte bei TREISCHKE. |
Es entstehen weitere Arbeiten zur mathematischen Theorie der Elektrizität und des Magnetismus. ROCH erhält daraufhin das Kregel-Sternbach-Stipendium, das es ihm ermöglicht, seine Studien in Göttingen und Berlin fortzusetzen. | |
1861 | Am 13. April schreibt Roch sich an der Universität Göttingen ein, wo er drei Semester studiert und Vorlesungen bei W. E. WEBER (1804-1891), SCHERING, R. H. LOTZE (1817-1881), A. ENNEPER (1830-1885), LANGENBECK und B. RIEMANN (1826-1866) hört. Wobei RIEMANN ihn durch seine überreiche Gelehrsamkeit und Geistesschärfe derartig beeindruckt, daß er beschließt, seinen Fußspuren zu folgen. |
Anschließend geht er für ein Semester nach Berlin, ohne sich aber an der dortigen Universität einzuschreiben. Trotzdem hat er nach eigenem Zeugnis engeren Kontakt mit L. KRONECKER (1823-1891), E. E. KUMMER (1810-1894), K. WEIERSTRASS (1815-1897) und K. W. BORCHARDT (1817-1880). Er wird in die Physikalische Gesellschaft aufgenommen. | |
1862 | An der Universität Leipzig erwirbt er den Titel eines Magisters der schönen Künste. Ebenfalls in Leipzig promoviert er am 28. Mai 1862 mit einer Arbeit Über die Darstellung von Functionen dreier Variablen durch Potentialausdrücke.... Referenten sind die Herren Professoren DROBISCH und HANKEL sowie, da sich DROBISCH für incompetent erklärt, SCHEIBNER. |
Fast ein Jahr später schreibt er sich erneut in Leipzig ein, ohne aber weitere Vorlesungen in Mathematik bzw. Physik zu belegen. Stattdessen hört er Vorlesungen über Wirtschaft, Geschichte und Archäologie bei den Professoren ROSCHER, WENOK bzw. OVERBECK. | |
1863 | Nach ROCHs eigenen Worten ereilt ihm durch eine wahrhaft göttliche Fügung das Glück, ... an der Universität Halle in einem akademischen Amt tätig zu sein. Hier ist er vom Wintersemester 1863/64 bis zum Ende des Sommersemesters 1866 Privatdozent an der Philosophischen Fakultät. Seine Wohnadresse ist fast die ganze Zeit Weidenplan 7, im letzten Halbjahr jedoch Harz 43. |
1863 | Am 15. Oktober habilitiert sich ROCH an der Universität Halle. Die Habilitationsschrift trägt den Titel De theoremate quodam circa functiones Abelianas. Erster Referent ist E. HEINE (1821-1881). |
1864 | ROCH schreibt seine wohl wichtigste Arbeit Ueber die Anzahl der willkürlichen Constanten in algebraischen Functionen, die 1865 im Crelle Journal erscheint. In diesem Artikel findet man die Veschärfung einer Aussage von Riemann, die auf Vorschlag von A. BRILL (1842-1935) und M. NOETHER (1844-1921) seit 1874 als Satz von Riemann-Roch zitiert wird. |
1866 | In einem
Schreiben vom 27. April fordert der Kurator der Universität die Philosophische
Fakultät auf, ROCHs Leistungen mit Hinblick auf eine mögliche
Berufung zu überprüfen. HEINE erstellt daraufhin ein ausführliches positives Gutachten, dem sich O. A. ROSENBERGER (1800-1890) vollinhaltlich anschließt. Damals entstand auch die untenstehende Aufstellung der von ROCH gehaltenen Vorlesungen. Am 21. August wird ROCH zum außerordentlichen Professor an der Vereinigten Universität Halle-Wittenberg berufen. Am 13. Oktober wird der Fakultät mitgeteilt, daß dem außerordentlichen Professor G. ROCH zur Wiederherstellung seiner ... Gesundheit ein Urlaub für das bevorstehende Wintersemester seitens des Herrn Ministers Excellenz bewilligt worden ist. |
1866 |
ROCH verstirbt am 21. November. Eine Randnotiz im Inhaltsverzeichnis der
Fakultätsakte besagt, daß er in Venedig der
Schwindsucht erlegen sei. ROSENBERGER bietet in Vertretung von ROCH die Vorlesungen Differential- und Integralrechnung sowie Algebra und Reihenlehre an; seine eigenen Vorlesungen läßt er ausfallen.
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Laut Vorlesungsverzeichnis der Universität Halle bietet G. ROCH erstmalig im Sommersemester 1864 und letztmalig im Wintersemester 1865/66 jeweils mindestens zwei verschiedene Vorlesungen an. Wie einer anläßlich seiner geplanten Berufung entstandenen Notiz des Sequestors der Universität Halle zu entnehmen ist, hat er in diesem Zeitraum tatsächlich die folgenden Vorlesungen gehalten:
Beispielsweise hat ROCH im Sommersemester 1864 die Analytische Geometrie (mit Übungen) wöchentlich fünf Stunden, von 12-1 Uhr und Über Functionen complexer Grössen, wöchentlich drei Stunden, von 11-12 Uhr gelesen. Im oben erwähnten Gutachten schreibt HEINE, daß er ein gern gehörter Dozent ist. |
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Archivalien
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