Von 1945 bis 1951 war Dr. phil. habil. Harry Schmidt
als Professor mit Lehrstuhl und Direktor des Instituts für Angewandte
Mathematik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig. Nebenstehendes Bild zeigt ihn im Alter von etwa fünfzig Jahren.
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1894 | Am 21.Juni wurde John Harry SCHMIDT als Sohn des Oberlehrers und späteren Oberstudienrates Prof. Dr. Hermann SCHMIDT und seiner Ehefrau Henny geb. KUBE in Hamburg geboren. Er wurde in der evang. luth. Kirche getauft. |
1901-1904 | Vorschulunterricht auf einer Hamburger Privatschule. |
1904-1907 | Besuch der Oberrealschule zu Altona-Ottensen. |
1907-1913 | Besuch des städtischen Reformrealgymnasiums zu Altona. |
1913 |
Ostern dort die Ablegung der Reifeprüfung. Im Sommersemester Studium der Mathematik, Physik und Chemie an der Universität Rostock, wo er Vorlesungen der Herren ERHARDT und HEYDWEILLER, des Chemikers August MICHAELIS, des Physikers Moritz SCHLICK und des Mathematikers Otto STAUDE hörte. |
1913-1918 | Ab dem Wintersemester
1913/14 Studium der Physik, Chemie, Mathematik und Philosophie an der
Universität Leipzig. Dieses Studium wurde durch
Kriegseinsatz mehrfach unterbrochen, teils mit chemischen und physikalischen
Untersuchungen im Heeresinteresse am Physikalisch-chemischen Institut der
Universität Leipzig. In Leipzig hörte er Vorlesungen der Herren: Physiker Theodor Des COUDRES, Arthur HAAS, Erich MARX und Otto WIENER; Mathematiker Wilhelm BLASCHKE, Gustav HERGLOTZ, Otto HÖLDER und Karl ROHN; Philosophen VOLKELT und Wilhelm WUNDT; Chemiker Max Le BLANC, Wilhelm BÖTTGER, Arthur HANTZSCH, Konrad SCHÄFER, Max VOLMER und Fritz WEIGERT. |
1918-1919 | Anfertigung einer von Prof. Des COUDRES angeregten theoretisch-physikalischen Dissertation zum Thema Über die Möglichkeit und Stabilität von Gleichgewichtszuständen ruhender sowie rotierender Elektronengruppen innerhalb einer im allgemeinen nichtäquivalenten Kugel von homogener positiver Elektrizität. (Referenten: Prof. Dr. Des COUDRES und Prof. Dr. HERGLOTZ) an der Universität Leipzig. |
1919 | Am 11. April Promotion zum Dr. phil.. |
1919-1923 | Als Dozent im Freien Bildungswesen der Stadt Altona (Volkshochschule) tätig. |
1921 | Im Februar Verheiratung mit der am 16. Dezember 1899 in Bochum geborenen Johanna FERNHOLZ. |
1923 | Am 9. August Geburt der Tochter Irmgard, die im Todesjahr ihres Vaters als Krankenschwester, verheiratet mit Rolf KÜSTER, in Dresden lebte. |
1923-1937 | Als Professor für Mathematik am Polytechnikum Köthen (Anhalt) tätig. In dieser Zeit am 8. Mai 1926 Habilitation an der Universität Leipzig mit dem Thema: Über zyklische Determinanten und Gleichungssysteme nebst Anwendungsbeispielen aus der Theorie der symmetrischen Raumfachwerke. |
1926 | Nach der Habilitation Eintritt in die Deutsche Mathematiker Vereinigung (DMV). |
1927 | Geburt der Tochter Gertrud, die im Frühjahr 1951 in Halle (Saale) als Medizinstudentin an Tuberkulose verstarb. |
1933 | Ernennung zum nichtbeamteten a.o. Professor für Mathematik an der Universität Leipzig. |
1937-1945 | Vom August 1937 bis zum August 1945 als ordentlicher Professor für Mathematik im Reichsdienst in Berlin tätig (Versuchsanstalt für Luftfahrt e.V. Berlin-Adlershof, Direktion Flugwerk). |
1941 | Am 22. April verstirbt die Ehefrau. Den Haushalt besorgt von da ab eine Wirtschafterin. |
1943 | Im August wird seine Wohnung in Berlin-Südende, Seestr. 9 von Fliegerbomben zerstört. Nach kurzer Unterkunft bei Freunden in Berlin nimmt er im Dezember eine Wohnung in Köthen (Anhalt), Holzmarkt 1. |
1945 | Am 16. Oktober 1945 von der Provinzverwaltung Sachsen-Anhalt (Dr. HÜBENER) als ordentlicher Professor für angewandte Mathematik an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen, wo er schon bald Direktor des neu geschaffenen Instituts für Angewandte Mathematik wurde. Das Grundgehalt beträgt jährlich 11.600,- DM. Die Stadt Halle kann Prof. Schmidt keine Wohnung anbieten, weshalb er täglich von Köthen nach Halle und zurück mit der Eisenbahn fahren muß. |
1947 | Im Juni eine Berufung an die Universität Rostock erhalten, die er aber ablehnt. |
1948 | Im zeitigen Frühjahr erhält Prof. Schmidt endlich eine Wohnung in Halle. |
1949 | Am 6. April wird Prof. Schmidt mit schwerer Lungentuberkulose in das Waldkrankenhaus Halle-Dölau eingeliefert, welches er erst im August 1950 wieder verläßt. Die Landesbehörden stellen am 23. Juli 1949 die Gehaltszahlung ein. Von da ab erhält er täglich 10,-DM Krankengeld, dessen Zahlung am 23. Februar 1950 ebenfalls eingestellt wird. |
1950 | Prof. Schmidt stellt
am 30. April einen Antrag auf vorzeitige
Emeritierung, der am 12. Mai abgelehnt wird. Die Begründung lautet:
Eine Emeritierung von Prof. Harry Schmidt ist nicht möglich, da er erst im
56. Lebensjahr steht. Im August kehrt er auf seinen Posten als Institutsdirektor zurück, darf aber auf ärztliches Anraten hin keine Vorlesungen halten. Eine Forschungsanleitung wird ihm erlaubt. |
1951 | Am 7. September verstirbt Harry Schmidt in Halle. Die Trauerfeier zur Beisetzung erfolgte in aller Stille auf dem halleschen Gertraudenfriedhof. Die Urnenbeisetzung erfolgte in seiner Heimatstadt Hamburg. |
Am Polytechnikum Köthen (Anhalt) hielt Prof. Schmidt die Grundvorlesungen Mathematik II, III und IV für angehende Ingenieure. Darüber hinaus bot er Spezialvorlesungen über Funktionentheorie, Gewöhnliche Differentialgleichungen und Theorie der Schwingungen an. |
Nach seiner Habilitation als Privatdozent und ab 1933 als nichtbeamteter a.o. Professor der Universität Leipzig hielt Harry Schmidt die Vorlesungen Theorie der Schwingungen, Theorie der Wellengleichung, Vektoranalysis, Allgemeine Tensoranalysis, Integralgleichungen der Mechanik, Höhere Dynamik, Analytische Hydrodynamik und Graphische Statik. |
Als o. Professor im Reichsdienst hielt Harry Schmidt an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e. V. in Berlin die Vorlesungen Grundlegende Begriffsbildungen der Analysis, Grundlegende Sätze der Analysis, Analysis der elementaren Funktionen, Funktionentheorie, Analytische Mechanik und Theorie der Schwingungen. |
Neben dem Anfänger-Kolleg über Differential- und Integralrechnung I und
II, welches sowohl von Mathematik- als auch Physik-Studenten besucht wurde,
hielt Prof. Schmidt auch Vorlesungen über Gewöhnliche und
Partielle Differentialgleichungen,
Praktische Analysis, Vektoranalysis, Fouriersche Reihen, Punktmengen,
Darstellende Geometrie, Integralgleichungen und Mathematik, ihr Wesen und
ihre Wertung. Seine Vorlesungen waren wegen ihres frischen und lebendigen Vortrages sehr beliebt. |
1952 | Schincke, Erich |
Lösung des dritten Randwertproblems der Potentialtheorie
und der Prandtlschen Integrodifferentialgleichung. Referenten: H. Brandt und H. Grötzsch (Halle) sowie K. Maruhn (Dresden) |
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[ Inhaltsverzeichnis | Abriss ] | Autor: S. Schmerling, 27. August 1998 |
Dieser Nachruf wurde in den Unterlagen des Fachbereichs Mathematik und Informatik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gefunden. Veröffentlicht wurde er wohl nicht; als Autor wird H. GRÖTZSCH vermutet. Einige der hier genannten Daten sind nicht korrekt. |
H. SCHMIDT wurde am 21. Juni 1894 in Hamburg als Sohn eines späteren Oberstudienrates geboren. Nach der 1913 abgelegten Reifeprüfung am Realgymnasium in Altona studierte er zunächst in Rostock, dann mit durch den 1. Weltkrieg bedingten Unterbrechungen in Leipzig, wo er 1919 mit einer theoretisch - physikalischen Arbeit promovierte. Nach einer Lehrtätigkeit in Altona von 1919 bis 1923 wurde er Professor am Polytechnikum in Köthen, er blieb dort bis 1937. Während dieser Zeit habilitierte er sich 1926 in Leipzig, 1933 wurde er zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig ernannt. Von 1937 bis 1945 übte er eine Forschungstätigkeit in Berlin aus. Von seinen zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen - das Verzeichnis seiner Publikationen umfaßt 38 Originalabhandlungen sowie mehrere Lehrbücher und eine deutsche Ausgabe des englischen Werkes von EDDINGTON über Relativitätstheorie - ist besonders das Buch "Aerodynamik des Fluges" zu erwähnen, das eine weitgehende internationale Anerkennung gefunden hat. Hier wurden besonders aus der Grenzschicht- und Tragflügeltheorie mehrere neuartige Lösungsmethoden für wichtige Probleme mit Hinweisen auf die praktischen Anwendungsmöglichkeiten dargestellt. Derartige anwendungsorientierte Problemstellungen besonders für die technische Physik bildeten auch die Hauptaufgabe seiner halleschen Forschungstätigkeit. Ursprünglich wurde H. SCHMIDT ausgehend von physikalischen Fragen auf Schwingungsprobleme geführt, die ihn in zahlreichen Abhandlungen wie auch in dem Lehrbuch "Einführung in die Theorie der Wellengleichung" und in dem Beitrag zum Handbuch der Experimentalphysik "Schwingungen kontinuierlicher Systeme und Wellenvorgänge" immer wieder beschäftigen. In mehreren Abhandlungen wird die Dynamik der Saiten und Seile untersucht. H. SCHMIDT erkannte bereits damals die außerordentliche Bedeutung einer praxisbezogenen Studentenausbildung. An den von ihm gehaltenen Vorlesungen und Seminaren haben die meisten Studenten stets gern teilgenommen. Mit Studenten, die an seinen Fachgebieten speziell interessiert waren, traf er sich oft während seiner Freizeit. Dabei wurden mehrfach auch die Grundkonzeption für die Diplomarbeiten, Dissertationen und Veröffentlichungen besprochen. Außerdem hat er sich stets hilfreich gezeigt, wenn ein Student in eine persönliche Notlage geraten war, was in den ersten Nachkriegsjahren durchaus nicht selten eintrat. Als H. SCHMIDT 1949 erstmalig schwer erkrankt war, bemühte er sich dennoch, seine wissenschaftliche Arbeit in vollem Umfang weiter fortzusetzen. Nach einer kurzen Besserung seines Gesundheitszustandes mußte er allerdings Ende 1950 in das Bezirkskrankenhaus Dölau eingeliefert werden, wo er am 7. September 1951 im Alter von 57 Jahren verstarb, kurz nachdem er eine Gruppe von Mitarbeitern für weitere gemeinsame Arbeiten vorbereitet und das Manuskript des Hochschullehrerbuches "Analysis der elementaren Funktionen", das 1953 erschienen ist, fertiggestellt hatte. Ebenfalls 1953 erschien seine "Einführung in die Vektor- und Tensorrechnung". |
[ Inhaltsverzeichnis | Abriss ] |
optstoch@ | 15. Febr. 2016, 1.Oktober 1998, © goma |