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Bonifacius Erasmi (de Rode) (um1480-1560)


 

Bonifacius Erasmi war der erste Professor für Mathematik an der 1502 gegründeten Universität Wittenberg und einer der ersten evangelischen Pfarrer in Thüringen.

  1. Biographie
  2. Werk und Bedeutung
  3. Literatur

Grabstein

Grabstein für Bonifacius Erasmi (Ausschnitt), heute im Museum642 Pößneck.


1. Biographie

Hauptsächlich nach [1].

Bonifacius Erasmi (de Rode) wurde um 1480 in Zörbig geboren, einer Ackerbürgerstadt unweit von Wittenberg und Halle an der Saale mit damals etwa 1000 Einwohnern. Sein Vater hieß Erasmus Czerbich und lebte wohl von der Landwirtschaft. Unter seinen Geschwistern waren die Brüder Urbanum Erasmi de Zerbigk und Gatlo a. Roda. Erasmi war dreimal verheiratet und hatte mindestens sechs Kinder, näheres.
Ganz im Stile seiner Zeit benutzt er auch folgende Namensformen: Bonifatius Erasmi, Magistro Bonifacio, Bonifacius (von) Roda, Magister Zorbeck und alle möglichen Kombinationen. Zörbig war früher als Czerbich, Czorbeck, Czorbegk, Zcerwick, Zorbeck, ... bekannt.

Die Universität in Krakau ist eine der ältesten in Mitteleuropa und genoss schon im 15./16. Jahrhundert ein hohes wissenschaftliches Ansehen, dass sich insbesondere auch auf ihre hohen Leistungen in Mathematik und Astronomie gründete. An dieser berühmten Universität ließ sich Erasmi im Sommersemester 1502 immatrikulieren und erwarb hier am 14. September 1505 den untersten akademischen Grad eines baccalaureus artium. Anschließend ging er im Wintersemester 1505/06 an die junge Wittenberger Universität, wo er im Sommersemester 1509 zum magister artium promoviert wurde.

Im Frühjahr 1509 wurde dem Humanisten und Geographen Bartholomäus Stein (um 1477-um 1520) die bis dahin an der Universität Wittenberg noch nicht bestehende Professur der Mathematik angeboten. Er schlug sie jedoch aus und ließ sich die Professur für Geographie übertragen und wurde damit der erste Professor, der an der Leucorea Geographie lehrte [2, S. 35/36].

Erasmi wurde 1513 Mitglied des Senats der Philosophischen Fakultät, die, vermutlich auf seine Initiative, 1514 reformiert wurde. Bisher Anhang der Metaphysik wurde Mathematik seither als selbstständige öffentliche Vorlesung angeboten, sie wurde Pflichtvorlesung für alle Studenten, die als Abschluss den Grad eines Bachelors oder Magisters anstrebten. Im Wintersemester 1514/15 übernahm Erasmi die mathematischen Vorlesungen; 1516 und 1517 las er um 14 Uhr Astronomie und Mathematik; er erhielt dafür ein Jahresgehalt von 20 Gulden.

Im Wintersemester 1518/19, das im Mai 1519 abschloss, erhielt Erasmi seinen Abschied aus dem Universitätsdienst und eine Entschädigung in Höhe von zwei Gulden. Als Grund von Erasmis Ablösung wird meist seine den hohen Anforderungen nicht genügende Befähigung angesehen, vgl. [3, S.344]. Es könnten aber durchaus auch unterschiedliche Lehrmeinungen dabei eine Rolle gespielt haben, vgl. [1, S. 201].

Grabstein

 

Grabstein für Bonifacius Erasmi, heute im Museum642 Pößneck.

Nachfolger in seinem Amt als Mathematikprofessor wurde Johannes Volmar (?-1536), der sein Leben lang Mathematik an der Leucorea lehrte.

Die Pfarrei in Heilingen, einem kleinen Dorf bei Orlamünde in Thüringen, wurde wohl am 15. Mai 1518 durch den Tod des Plebans (Bezeichnung für den Pfarrer in Heilingen) Johannes Vyhes vakant. Nachfolger wurde um 1518 oder 1519 auf Empfehlung der Wittenberger Universität und des Allerheiligenstifts Erasmi. Er ist wohl der erste (?) evangelische Pfarrer in Heilingen. Als, vermutlich Ende 1531, der Pößnecker Prediger Johann Lincken verstarb, folgte Erasmi ihm im Amt (also nicht als Diakon).

Mehrfach taucht in den Folgejahren Erasmis Name in den Akten auf: 1533 wird von den Visitatoren angewiesen, daß sie den Prediger Herr Bonifacio eine Stube bauen wollen. Wiederholt haben der Pößnecker Pfarrer Adam Utziger und sein Prediger Bonifatius von Roda ... um Aufbesserung ihres Gehalts gebeten, so 1539 und 1545. Anläßlich der Visitation 1554 wird dem Pößnecker Pfarrer und seinem "Caplan" Roda bezeugt, "daß sie baide der hailigen schrifft, und gotlichs worth wol bericht, Ir tragendt ampt zuvorrichten geschickt und gutes wandels sint", vgl. [1].

Erasmi verstarb in Pößneck am 29. Januar 1560 im Alter von 80 Jahren. Begraben wurde er auf dem dortigen ehemaligen Friedhof an der Gottesackerkirche, bald vorn an der Mauer gen Mitternacht, wo er auch in Stein gehauen befindlich ist, mit einer Seiten=Inscription, welche man kaum noch lesen kann [4, S. 11]. Sie lautete:

Entschlafen Montag nach Pauli Bekehrung Anno 1560 Bonifatius Roda von Zorbeck Diener des göttlichen Wortes zu Pesnick in Christo entschlafen

Sein Grabstein hat sich bis heute erhalten. Er befand sich viele Jahre im Museum zu Pößneck, nach dessen Zerstörung 1945 auf der Burg Ranis und jetzt wieder im schönen, erneuerten Pößnecker Museum642.

Wohl auf einem Epitaph (?) war die folgende Geschichte seines Lebens vermerkt (nach [1, S. 200]), statt Prag ist jedoch Krakau zu lesen:

Der, dem der Name eines eigentlichen Wohltäters war, hatte den adligen Zunamen der Rodaischen Familia. Hier liegt er, der ausgediente Prediger zu Pößneck, ein frommer Greis, der 80 Jahre zählt, er war geboren in der alten Stadt der Sorben in Zörbig, durch seine Geschicklichkeit erwarb er zu Prag die Magisterwürde. Wittenberg sah ihn auf dem Schloß seiner Elbschule den Lauf seiner Gestirne lehren, bis er auch in Christo den Weg zu den Sternen des Heils wies, so wie ihn der Glaube allein wies. Ein rechtschaffener Mann, von alter Tugend und Treue, der sein Amt pünktlich verwaltete, der die Vorschriften und Gebote Gottes, die er lehrte, auch selbst befolgte und die ihm anvertraute Gemeinde mit Mund und Beispiel weidete. Christo übergab er seine Seele, seine hinfälligen Gebeine dem Grabe, zwar gestorben vor den Menschen, aber lebend vor Gott. gestorben 1560.

Das Leben und Wirken von Bonifacius Erasmi war eng verwoben mit dem vieler Persönlichkeiten der Wittenberger Geschichte. Hier sind insbesondere Philipp Melanchthon, Andreas Bodenstein (genannt Karlstadt) und Konrad Glitzsch zu nennen, aber auch Thomas Müntzer ... Über Erasmis Haltung zu den Konflikten seiner Zeit ist nichts bekannt; klare Stellungnahmen hat er aber wohl stets vermieden.

Bemerkungen:
Den Matrikeln der Leucorea ist zu entnehmen, dass sich Erasmis Bruder Urbanus Erasmi de Czerbigk im gleichen Semester wie Erasmi an der Wittenberger Universität einschrieb.
Sept. 1555 studierte Erasmis 19jähriger Sohn Christoph von Roda seit einem Jahr an der Universität Jena. Dieser richtete ein Gesuch um ein Stipendium an Herzog Johann Friedrich den Mittleren, der dem entsprach [1, S.205].


2. Werk und Bedeutung

Erasmi hat die Mondfinsternis vom 29./30. Januar 1515 beobachtet [Akten der Leucorea ???].

Irgendwelche eigenen Schriften von Erasmi scheinen nicht überliefert zu sein.

Nur der hier abgebildete Holzschnitt aus der Graphischen Sammlung der Albertina Wien weist ihn in der Überschrift als Entwerfer des Blattes aus, vermutlich war er auch der Auftraggeber. Erstmalig Lucas Cranach d. Ä. zugeschrieben wurde der Holzschnitt durch Max Geisberg (1875-1942). Das Sujet ist im Gesamtwerk von Lucas Cranach d. Ä. einzigartig. Das Original ist etwa 28,4 x 36,7 cm groß und entstand zwischen 1510 und 1515.

Die Überschrift des Holzschnittes gibt den Autor und den Zweck des Blattes an:

Ein ewig nuczbarlich Planetischwerck: von magistro Bonifacio von Czorbegk vorsamelt. leichtlich zu ermessen der planeten natur / und stunden / der Sonnen und Mondslauf yn Zeichen und grad. der sonnen aufgang und undergang. Des tags und nachts lenge / mit vil andern nutzbar stücken. wie die schrift unden antzeigt.

Auf den beiden senkrechten Rändern ist zu lesen: Der Sommer mit des tags abnemung. Nidergang. Der Herbst mit des tags abnemung. Bzw.: Der Winter mit des tags zunehmung. Aufgang. Der Lenz mit des tags zunehmung

Ein Klick hier oder auf die Abbildung öffnet eine neue Seite mit einer größeren Abbildung und Beschreibungen des Holzschnittes. Der Permalink führt direkt zum Holzschnitt der Albertina Wien, den man dort in allerbester Qualität betrachten kann.

Kalender des Bonifacius von Czorbegk

Lucas Cranach d. Ä., Der Kalender des Bonifacius von Czorbegk,
Holzschnitt um 1513, Inventarnummer DG 1929/190.
In: Sammlungen Online http://www.albertina.at/Sammlungenonline (Zugriff 20.04.2016).


3. Literatur

  1. V. Jöstel: Magister Bonifatius von Roda - Ein Wittenberger Mathematiker und Bekannter Karlstadts.
    In: Erich Donnert: Europa in der frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt. Böhlau Verlag Weimar, Köln, Wien 1997, Band 1, S. 197-209.
  2. H. Kathe: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502-1817 (Mitteldeutsche Forschungen Bd.117). Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2002.
  3. N. Müller: Die Wittenberger Bewegung 1521 und 1522. Die Vorgänge in und um Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt. Verl. M. Heinsius Nachf. 1911.
  4. A. Zapf: Chronik von Jüdewein im Herzogthum S. Meiningen, Kreis Saalfeld. Fr. Gerold'sche Buchdruckerei Pößneck 1889.

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Autor: M. Goebel


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